(Reformen; 04-03; S.3)
So hat deutscher Konservatismus den Streit nie
als normale oder gar wünschenswerte Methode zur Schaffung von
Neuem gesehen, sondern als abzulehnende Abweichung. Überspitzt
formuliert: das einzige Mal, als deutsche Konservative revolutionär
wurden, hatte für die junge Weimarer Demokratie fatale Folgen.
(Interessierten seien zu dieser Thematik empfohlen: Lenk, K.:
Deutscher Konservatismus, Franfurt am Main und New York 1989;
Sontheimer, K.: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik,
4. Aufl. München 1994.)
Zudem haben sechzehn Jahre geistig-moralischer Seilschaftsbildung
zwischen 1982 und 1998 eine dem entsprechende seilhörige Diskussionskultur
zumindest gefördert.
Die kleinere Regierungspartei der Grünen hat
mit ungefilterter Diskussion offensichtlich weniger Probleme.
Es ist vielleicht überbewertet, ihr Entstehen auf die vorgegebenen
Diskussionspfade der SPD in den späten siebziger Jahren zurück
zu führen; das Schlagwort der "Basisdemokratie" sowie
die permanenten Schwierigkeiten, Positionen und Besetzungswünsche
der Parteispitzen den Mitgliedern vorzugeben, deuten jedoch auf
eine prinzipiell unterschiedliche politische Kultur.
In legitimatorischer Hinsicht ist auch das Verhalten
der so genannten Rürup-Kommission zum Gesundheitswesen interessant.
Anders als vielleicht von Manchem vermutet, hat die Kommission
zwar verschiedene Vorschläge ausgearbeitet und die damit verbundenen
Konsequenzen benannt, der Politik jedoch keine Entscheidung abgenommen.
Versinnbildlicht wurde dies im sogenannten Y-Modell: zwar lassen
sich kurzfristig bestimmte Maßnahmen benennen, über deren Wirksamkeit
die Wissenschaftler sich einig sind, langfristige und strukturelle
Reformen - die beiden "Äste" des Ypsilons - können allein
durch eine bewusste politische Entscheidung erreicht werden.
- Damit hat die Kommission etwas getan, was z.B. der deutschen
Justiz nicht möglich ist: sie hat eine politisch zu entscheidende
Frage an die Politik zurück verwiesen. Die seit den "Enquête-Kommissionen"
der siebziger Jahre genutzte Möglichkeit, sich Informationen von
sachverständiger, wenn auch nicht unbedingt parteiunabhängiger
Seite zu verschaffen, ist schließlich die originäre Funktion dieser
Gremien. Sie können also dazu verhelfen, Entscheidungen begründet
zu treffen, nicht jedoch sie damit bereits zu legitimieren. (weiter
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